KEIN VERGESSEN
28.09.20
Am 19.02.2020 wurden in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet. Neun Menschen, die
nichts getan haben. Wir als Bildungsinstitution wollen den Aufruf der Angehörigen erstnehmen und das Attentat immer wieder thematisieren, der Opfer gedenken und die Erinnerung an sie
aufrecht erhalten.
Einige Klassen haben Briefe an die Angehörigen geschrieben. Sie haben Reden für fiktive
Demonstrationen formuliert und viel von dem geteilt, was auch sie - an Rassismuserfahrungen - erleben.
Lest selbst, was sie euch, bzw. den Angehörigen mitzuteilen haben!
Wenn du mitmachen willst: Schreibe auch einen Brief und lege ihn in das Fach von Frau Elhaus.
Sehr geehrte Anwesende,
wir haben uns hier versammelt, um aller Opfer zu gedenken, die an einem rassistischen Vorfall leiden mussten und darüber zu reden, wie Rassismus leider alltäglich vorkommt und die Menschen über rassistische Aussagen oft einfach hinwegsehen und nichts dagegen tun. Noch vor einem halben Jahr fand der Vorfall in Hanau statt. Es wurde vieles versprochen, aber nichts hat sich geändert. Immer noch finden Terroranschläge statt, immer noch bekommen wir rassistische Sprüche zu Ohren und deshalb demonstrieren wir heute.
Wir demonstrieren, um dem allem ein Ende zu setzen.
Wir demonstrieren, um der Politik zu zeigen, dass wir es satt haben, unsere Geliebten wegen Rassisten zu verlieren.
Wir haben wahrscheinlich alle mal da einen rassistischen Spruch, hier einen "Witz" gehört. Sei es im Bus, in der Bahn, auf dem Gehweg oder auch im Internet. Überall gibt es sie. Die Menschen, die nicht verstehen wollen, dass es keine "Schwarzen sind, sondern Menschen. Dass es nicht alle "Terroristen", sondern normale Menschen sind.
Menschen, die alle Gerechtigkeit suchen.
Wir alle setzen uns deshalb ein, um dem Rassismus ein Ende zu setzen.
WIR SIND ALLE MENSCHEN!!!
Zahide,
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Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz im Jahr 2019
Schüler*innen von der 9. Klasse bis zur Oberstufe fuhren unter der Leitung von Herrn Ebert gemeinsam auf eine Gedenkstättenfahrt nach Polen. Ein Bericht mit Bildern befindet sich in der folgenden Datei (Achtung: Die Datei ist relatvi groß):
Die PW-Leistungskurse des 11. Jahrgangs (ebt/sw) zu Besuch beim Bundestagsabgeordneten Dr. Fritz Felgentreu, November 2017.
„Versuche, dein Leben zu machen“
Dies war der zentrale Satz bei der Lesung von Margot Friedlander. Die große kleine alte Dame aus Berlin hielt am 25. 11. 2013 eine Buchlesung in der Aula des Ernst–Abbe-Gymnasiums in Berlin Neukölln. Gespannt verfolgten 70 Schüler der Schule die bewegenden autobiografischen Ausführungen Margot Friedlanders. Als Jüdin versteckt in Berlin! Ein persönlicher Zugang zu der unmenschlichen Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Eingeladen hatten Schüler der Politik-AG des Ernst Abbe Gymnasiums. Die Buchlesung steht in einer Reihe zum Thema Nationalsozialismus in Berlin, Neukölln und in der eigenen Schulumgebung. Im letzten Jahr nahmen die Schüler der Politik-AG aktiv an einer Veranstaltung „Gleis 17“ teil. Von dort wurden jüdische Bürger nach Auschwitz in den sicheren Tod deportiert. Dieses Schicksal teilten auch damalige Schüler des Ernst-Abbe -Gymnasiums, das 1933, in der Weimarer Republik, noch Kaiser Friedrich Realgymnasium hieß. Gegen Ende der ersten demokratischen Republik auf deutschem Boden wurde die Schule in Karl Marx Schule umbenannt. Unter diesem Namen machte sich die Schule einen Namen als Reformschule. Leiter war Fritz Karsen. Diese Reformpädagogik zog viele aufgeschlossene jüdische Eltern an, sie meldeten ihre Kinder bewusst an dieser Schule an. Es dauerte also nicht lange, bis die neuen Entscheidungsträger nach der „Machtergreifung“ 1933 die Karl Marx Schule ins nationalsozialistische Visier nahmen. Die Schule erhielt vorerst den alten Namen, Kaiser Friedrich Realgymnasium, zurück, um sie dann in Hermann Löns Schule um zu benennen. Viele jüdische Eltern meldeten ihre Kinder ab, allerdings blieben auch diskriminierte Gruppen an der Schule, mit schlimmen Konsequenzen. Margot Friedländer gehörte nicht zu diesem Personenkreis, da sie nicht in Neukölln wohnte. Und dennoch kristallisieren sich bei ihrer Lesung viele Parallelen heraus. Das bedrückendste Erlebnis für Frau Friedländer passierte ihr mit Anfang 20, die junge Frau entgeht mit viel Glück der Festnahme durch die Gestapo. Ihr Bruder wird verhaftet, die Mutter bleibt zwar in Freiheit, entscheidet sich aber, dem bedrohten Bruder zu folgen, zu helfen, wodurch Margot Friedländer ihre engste Familie verliert. Der Vater hatte die Familie bereits zuvor verlassen. Auch er stirbt später durch die Nationalsozialisten. Von ihrer Mutter erhält Margot Friedlander die Handtasche mit der Bernsteinkette, die die alte rüstige Dame während der Lesung immer wieder in die Höhe hält. In der Tasche befand sich auch ein Zettel, auf dem steht: „Versuche, dein Leben zu machen“! Als Jüdin versteckte sich die junge, eigentlich wohl behütete, noch unselbständige Frau fortan in Berlin, entgeht mehrmals der Festnahme. Schließlich wird Margot Friedländer doch gefasst und kommt nach Theresienstadt. Dort überlebt sie das brutale Lagerdasein, lernt ausgerechnet dort ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie 1945 in die USA auswandert. All das reflektiert die Autorin in ihrer Lesung. Im Anschluss an den sehr persönlich gehaltenen Vortrag bekommen die Schüler die Gelegenheit, Fragen an Frau Friedlander zu stellen. Auch hier drehen sich viele Fragen und Antworten um die entscheidende Aufforderung im Leben der Margot Friedländer: „Versuche, dein Leben zu machen“! Eine Schülerin des Ernst Abbe Gymnasiums fragt mi leiser Stimme: „Frau Friedländer, haben Sie Ihr Leben gemacht?“ Die Angesprochene antwortet: „Nun, was meinen Sie!“ Die Zuhörer in der Aula sind erst nachdenklich still, dann applaudieren sie der alten kleinen großen Dame. Zwei Schülerinnen der Politik-AG haben am 29. 11. 2013, einem Freitag, das Projekt der Ernst Abbe Politik-AG fortgesetzt. Sie folgten einer Einladung Margot Friedlanders in deren private Wohnung zu einem professionellen Videodreh. Sie interviewten Frau Friedlander für eine Internetseite der Schwarzkopfstiftung – Junges Europa. Dort soll es verschiedene Filme zu unterschiedlichen Zeitzeugen geben, damit nachfolgende Schülergenerationen sich über das Schicksal der dort interviewten Zeitzeugen informieren können, um so mehr über die Zeit des Nationalsozialismus zu erfahren. Auch in der Aula des Ernst-Abbe- Gymnasiums kann man mehr über die Zeit des Nationalsozialismus erfahren. Schüler der Politik-AG nutzen die Zusammenarbeit mit den Pädagogen des Museum Neukölln, um eine Ausstellung des „mobilen museum“ in die Schule zu holen. Die Schüler beteiligten sich an der Konzeption einer dort präsentierten Tafel: Es geht um Eva Kantorowsky, einer Schülerin, die nach der „Machtergreifung“ noch am „braunen“ Kaiser Friedrich Realgymnasium blieb, bis sie nach vielen Schikanen mit ihrem Vater, dem Neuköllner Rabbiner Georg Kantorowsky über Shanghai in die USA flüchten konnte. Die Schüler haben den Kontakt mit Frau Kantorowsky in den USA herstellen können. Die alte Dame möchten sie zu der „Stolpersteinverlegung“ zum Gedenken an die Neuköllner Familie Kantorowsky nach Berlin einladen. Anvisiert ist hierfür Juni 2014! Hans Kantorowsky, Evas Bruder, hatte nicht das Glück des Vaters und der Schwester, er musste den schweren Weg nach Auschwitz antreten und starb dort durch die Nationalsozialisten. Auch er war Schüler des Kaiser Friedrich Realgymnasiums, des heutigen Ernst-Abbe-Gymnasium. Amira Qandoul formulierte in ihrer Eröffnungsrede zur Ausstellungseröffnung: „Denn wo sie saßen, sitzen wir heute!“ Allein dieser Satz sollte Auslöser für ein anhaltendes Engagement sein, die eigene Schul-, Bezirks- und Stadtgeschichte zu bearbeiten.
Jan Ebert